In den USA boomt der Markt für sogenannte SPACs. Das sind börsennotierte Mantelgesellschaften, die bei Investoren Kapital einsammeln, um damit ein unbekanntes Unternehmen zu kaufen. Was Unternehmen jetzt über SPACs wissen müssen.
Goldgräberstimmung an der Wallstreet: Per Blankoscheck-IPO an die Börse. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS
SPAC steht für „Special Purpose Acquisition Company“. Ein SPAC ist eine Mantelgesellschaft ohne operatives Geschäft, die an die Börse geht und ihren Investoren verspricht, mit dem Emissionserlös innerhalb von ein bis zwei Jahren ein Unternehmen zu kaufen. Da dieses zum Zeitpunkt des SPAC-Börsengangs noch nicht bekannt ist, werden SPACs häufig auch als „Blankoscheck-Firmen“ bezeichnet.
Der Gründer eines SPACs ist der sogenannte Sponsor. Diese Person ist in der Regel eine bekannte Persönlichkeit aus der (Finanz-)Wirtschaft. Begleitet von Investmentbanken sammelt das SPAC-Management bei Investoren Geld für einen Börsengang ein und verpflichtet sich, innerhalb von zwei Jahren ein Unternehmen aus einem bestimmten Sektor zu übernehmen. Gelingt ihm dies nicht, muss das Management seinen Investoren das Kapital zurückzahlen und das SPAC wird aufgelöst. Hat das Management ein Übernahmeziel gefunden, muss auf der anschließenden Hauptversammlung eine absolute Mehrheit der SPAC-Aktionäre der Übernahme zustimmen. Aktionäre, die das Angebot angenommen haben, halten fortan Anteile an dem neuen Unternehmen. Alle anderen Aktionäre erhalten ihr Geld zurück.
Der Emissionserlös aus dem SPAC-IPO wird bis zur Übernahme des Zielunternehmens auf einem Treuhandkonto geparkt, auf das die Investoren eine geringfügige Verzinsung erhalten. Optional kann die Verzinsung auch zur Deckung der laufenden Kosten des SPACs dienen.
Das kommt darauf an. Bei einem SPAC-IPO gibt es in der Regel zwei Aktien-Klassen: A-Shares und B-Shares. Die A-Shares sind jederzeit handelbar und werden an die Investoren ausgereicht. Die B-Shares sind in der Regel erst dann handelbar, sobald das SPAC ein Unternehmen übernommen hat, und werden an die Sponsoren des SPACs ausgereicht.
SPAC-Investoren erhalten in der Regel aber nicht nur Aktien, sondern kaufen sogenannte „Units“. Diese Einheiten enthalten neben der Aktie zusätzlich einen Optionsschein, der losgelöst von der Aktie an der Börse gehandelt werden kann.
Oft sind das ehemalige Unternehmensmanager, Banker oder Private-Equity-Manager, die der Überzeugung sind, einen Markt sehr gut zu kennen und über eine gute Reputation verfügen. Prinzipiell kann aber jeder einen SPAC auflegen.
Zum Zeitpunkt des SPAC-IPOs bieten die begleitenden Investmentbanken die Anteilsscheine überwiegend institutionellen Investoren wie Hedgefonds an. Da die Anteile ab dem Listing frei handelbar sind, können ab dann aber auch Privatpersonen in SPACs investieren.
Neben den Sponsoren, den Investoren und dem Management von Unternehmen sind bei einem SPAC viele Parteien involviert. Investmentbanken werden vom SPAC-Management mandatiert, um die SPAC-Aktien bei Investoren zu platzieren und unter Umständen eine zusätzliche Kapitalerhöhung durchzuführen. Zudem beschäftigt ein SPAC Anwälte und Berater jeder Art: vom M&A-Berater über Due-Diligence-Berater bis zu spezialisierten SPAC-Beratern.
Im Durchschnitt sammelten SPACs bei einem Börsengang zuletzt rund 330 Millionen US-Dollar ein (2020 bis April 2021). Die Spanne reicht dabei allerdings von 50 Millionen bis zu 4 Milliarden Dollar.
Laut SPAC Analytics gibt es Stand Juni 2021 insgesamt 420 SPACs, die nach Übernahmezielen suchen. 149 SPACs haben eine Übernahme angekündigt, 307 haben diese bereits vollzogen. Liquidiert wurden bislang 90 SPACs. Weitere 269 SPACs stehen in den Startlöchern für einen Börsengang.
Es gab schon SPACs in Deutschland. 2008 gründete der damalige Arcandor-Chef Thomas Middelhoff zusammen mit dem Unternehmensberater Roland Berger und dem UBS-Banker Florian Lahnstein den SPAC „Germany1“. Das SPAC übernahm anschließend den Stromversorgungs-Gerätehersteller AEG Power Solutions, der später pleite ging. 2010 gründete der langjährige CFO Sven-Roger von Schilling zusammen mit den beiden Private-Equity-Managern Helmut Vorndran und Willi Mannheims das SPAC „European Cleantech I SE“, das später das Energieunternehmen Electrawinds kaufte. Auch dieses Unternehmen musste Insolvenz anmelden.
Anschließend wurde es in Deutschland lange Zeit still um die SPACs. Bis in diesem Jahr der Venture-Capital-Investor Klaus Hommels ein SPAC auflegte, das an der Frankfurter Börse notiert ist und 275 Millionen Euro eingesammelt hat. Ein Übernahmeziel hat das SPAC bislang noch nicht bekanntgegeben.
2008 wurde AEG Power Solutions von dem SPAC „Germany 1“ übernommen. In diesem Jahr kündigte der Münchener Flugtaxibauer Lilium den Merger mit dem SPAC „Qell Acquisition“ an, um in den USA an die Börse zu gehen. Lilium wird bei der Transaktion mit 3,3 Milliarden Dollar bewertet und künftig an der NASDAQ gelistet.
Nein, sind sie nicht. Das Produkt gibt es schon lange, es erfuhr 2020/21 allerdings einen extremen Hype. Von 2003 bis 2019 zählte SPAC Analytics pro Jahr im Schnitt 22,8 IPOs. 2020 waren es 248 und allein in diesem Jahr steht der Zähler im Juni bereits bei 330 SPAC-Börsengängen.
Auch wenn der Schwung im April verloren ging – 2021 hat im ersten Quartal schon mehr SPAC-IPOs und ein höheres Emissionsvolumen gesehen als im gesamten Vorjahr.
Für junge, wachstumsstarke Unternehmen, die den Gang aufs Parkett schon länger planen, kann der SPAC eine kostengünstige Abkürzung zum traditionellen IPO sein. Da immer mehr SPACs an die Börse drängen, steigt auch der Druck für die Vehikel, rechtzeitig ein Übernahmeziel zu finden. Unternehmen können das bei der Kaufpreisverhandlung für sich nutzen. SPACs suchen derzeit überwiegend nach Unternehmen aus den Bereichen Technologie, Medien und Telekommunikation (TMT), Industrials, Healthcare, Electric Vehicles, Consumer sowie nach Fintechs.
Ein SPAC bietet zunächst alle Vorteile, die eine Börsennotierung mit sich bringt: frisches Kapital, eine breitere Investorenbasis, leichteren Kapitalmarktzugang, Aktien als Akquisitionswährung für Übernahmefinanzierungen. Das SPAC sucht in der Regel nach Unternehmen, deren Bewertungen höher sind als der IPO-Erlös. Das Unternehmen bekommt mit dem SPAC meistens einen Ankeraktionär und keinen Mehrheitseigentümer. Optional kann das Unternehmen parallel zur SPAC-Hauptversammlung auch noch eine öffentliche Kapitalerhöhung durchführen (PIPE), um Geld von weiteren Investoren einzusammeln.
Kosten: Ein SPAC ist schnellerer und günstiger als ein traditioneller Börsengang. Die durchschnittlichen Kosten, um in den USA an die Börse zu gehen, betragen rund 9 bis 13 Prozent des Emissionserlöses. Der Weg über ein SPAC ist für Unternehmen in der Regel günstiger, da im Wesentlichen nur Kosten für einen M&A-Berater und Anwalt anfallen. IPO-Kosten, die für die Erstellung des Börsenprospekts oder die Investoren-Roadshows anfallen, gibt es beim Verkauf an einen SPAC nicht.
Prognosen: Auch bei der Frage nach der Bewertung bietet ein SPAC einem Unternehmen Vorteile. Bei einem traditionellen Börsengang darf das Management eines Unternehmens keine in die Zukunft gerichteten Aussagen treffen. Die Bewertung fußt allein auf bereits veröffentlichten Geschäftszahlen. In den M&A-Verhandlungen mit einem SPAC darf das Management des Unternehmens dagegen Prognosen treffen, was sich positiv auf die Bewertung auswirken kann.
Preissicherheit: Bei einem traditionellen Börsengang erfolgt die Preisbildung über ein sogenanntes Bookbuilding-Verfahren, bei dem begleitende Banken Investoren die Aktien des Unternehmens in einer Von-bis-Preisspanne anbieten. Beim Verkauf an ein SPAC ergibt sich der Preis aus bilateralen Verhandlungen zwischen dem Management des Unternehmens und dem des SPACs.
Mit dem Verkauf an ein SPAC ist ein Unternehmen börsennotiert, mit allen Rechten und Pflichten für das Unternehmen und dessen Management. Es gelten höhere Anforderungen an die Corporate Governance, strengere Haftungsregeln für die Manager (insbesondere in den USA) und strengere Berichtspflichten. Zudem muss sich das Unternehmen künftig unter Umständen mit unbequemen/aktivistischen Investoren bis hin zu Shortseller-Attacken auseinandersetzen, wie zuletzt in den USA der E-Lastwagenbauer Nikola.
Das Unternehmen trägt das Risiko, dass bei der SPAC-Hauptversammlung viele Investoren die Übernahme ablehnen (Redemption). Der Sponsor des SPACs muss deren Einsatz wieder zurückgeben. Je nachdem wie hoch diese Redemption-Rate ist, fließt dem Unternehmen weniger Cash zu, sofern es parallel nicht noch eine zusätzliche Kapitalerhöhung durchführt.
Sobald das Unternehmen mit dem SPAC eine Vereinbarung über einen Unternehmenszusammenschluss (Business Combination Agreement) unterschrieben hat, muss der SPAC seine Aktionäre informieren und eine Ad-hoc-Meldung veröffentlichen.
Das größte Risiko bei einem SPAC tragen die Sponsoren. Sie können ihre SPAC-Aktien in der Regel erst verkaufen, wenn sie ein Unternehmen übernommen haben. Gelingt ihnen das nicht, bleiben sie auf ihren Kosten sitzen. Investoren haben ein Kursrisiko, sofern sie die SPAC-Aktien oder -Optionen nach dem SPAC-IPO über Nennwert an der Börse gekauft haben.
06/2021
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Autor: Philipp Habdank. Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.