Immer mehr Unternehmen nutzen Finanzierungsberater. Was leisten sie und für welche Fälle sind die Spezialisten auch für mittelständische Unternehmen eine spannende Option?
Angela Merkel und Japans früherer Kaiser Akihito hätten ohne Dolmetscher nicht miteinander reden können. Bei komplexen Finanzierungen können Finanzierungsberater zwischen Mittelständler und Bank übersetzen – sie leisten aber noch deutlich mehr. Foto: picture alliance / dpa | Michael Kappeler
Ob ein Finanzierungsberater sinnvoll ist, hängt von den eigenen Kapazitäten, dem eigenen Wissen und der Komplexität der Finanzierungsaufgabe ab. Folgende Anlässe sind denkbar:
- fehlende interne Ressourcen und/oder fehlendes Wissen über die Finanzierungsoptionen und das aktuelle Marktumfeld
- große Refinanzierungen, weil Finanzierungsvereinbarungen auslaufen oder weil ein günstiges Marktumfeld vorzeitig ausgenutzt werden soll
- komplexe Finanzierunganlässe wie Übernahmen oder große Investitionen
- Neuordnung einer über viele Jahre gewachsenen Finanzierungsstruktur mit vielen unterschiedlichen und nicht aufeinander abgestimmten Vereinbarungen mit verschiedenen Instrumenten und Finanzierungspartnern
- operative Schwierigkeiten, die eine professionelle Kommunikation mit den Finanzierungspartnern oder sogar eine Restrukturierung der Finanzierung und/oder neues Geld erfordern
Finanzierungsberater sind die Spezialisten im Finanzierungsmarkt, sie kennen die Instrumente, die Spieler und das aktuelle Marktumfeld. Sie sprechen die Sprache der Finanziers und wissen, was geht – und was nicht geht. Gute Finanzierungsberater übersetzen das Anliegen des Unternehmens in eine geeignete Finanzierungsstruktur und gehen danach auf die Suche nach den passenden Finanzierungspartnern. Wenn Geschwindigkeit wichtig ist, beschleunigen sie den Prozess. Wenn die Gespräche schwieriger werden, nehmen sie die erste Hitze und halten so das Verhältnis von Kunde und Bank intakt. In Restrukturierungen können spezialisierte Finanzierungsberater verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen, weil sie als professionelle Counterparts der Finanziers auf eine Historie bauen können.
Finanzierungsberater legen gemeinsam mit dem Unternehmen die Ziele der Finanzierung fest und schlagen eine mögliche Struktur vor. Ein wesentlicher Unterschied in den Verhandlungen mit Finanzierungspartnern besteht in der Regel darin, dass der Kunde in Zusammenarbeit mit dem Finanzierungsberater den ersten Aufschlag macht: Das sogenannte Term Sheet (ein Dokument, das im Vorfeld der Finanzierung erstellt wird und die wesentlichen Eckpunkte des künftigen Vertrages dokumentiert) wird vom Kreditnehmer selbst aufgesetzt und den Finanzierungspartnern als Verhandlungsgrundlage vorgelegt – das können ansonsten nur große Unternehmen mit professionellen Treasury-Abteilungen leisten.
Klare Antwort: nein. Finanzierungsberater geben keinen verbindlichen juristischen Rat. Sie kennen sich aber mit den juristischen Feinheiten von Finanzierungsverträgen aus und können eine effiziente Zusammenarbeit mit den spezialisierten Anwälten gewährleisten.
Die Finanzierungsberater werden vom Unternehmen bezahlt und vertreten prinzipiell dessen Interessen. Allerdings: Wie in jedem professionellen Nischenmarkt kennen sich die Spieler untereinander alle und haben mehr als einmal miteinander zu tun. Darum wird es sich ein Finanzierungsberater, der im Markt akzeptiert sein will, mit den Banken und anderen Finanzierungspartnern nicht verscherzen wollen, in dem er unverschämte Forderungen stellt. Das ist aus Sicht der Unternehmen aber kein Nachteil, weil es bei Finanzierungen nicht um das maximal Mögliche geht, sondern um eine für alle Parteien tragbare Lösung.
Nicht unbedingt. Das ist aber auch oft nicht das Ziel einer Finanzierungsverhandlung: Es geht in der Regel nicht darum, möglichst wenig zu bezahlen, sondern die optimale Finanzierungsstruktur zu finden. Das umfasst nicht nur den Zinssatz, sondern weitere wichtige Parameter wie Laufzeit, Besicherung, Ausschlussklauseln, finanzielle Leitplanken (Covenants) und die Auswahl der Finanzierungspartner.
Das ist grundsätzlich Verhandlungssache. Wie die Vergütung genau strukturiert sein sollte, hängt auch von der Aufgabe ab, die der Finanzierungsberater erfüllen soll. Geht es nur um die Minimierung des Preises, kann der Berater an der Einsparung partizipieren. Das ist aber oft nicht sinnvoll, denn der Finanzierungsberater hat bei diesem Modell wenig Anreize, Zeit zu investieren und sich intensiv mit der Struktur der Finanzierung zu beschäftigen. Oft ist es sinnvoll, andere Optionen der Finanzierung zu prüfen und ergänzende Finanzierungspartner anzufragen – all das kostet Zeit. Darum enthält eine sinnvolle Vergütung eine Entschädigung für den Zeitaufwand plus Erfolgskomponente bei Abschluss einer Finanzierung, aber keine Belohnung für fiktive Einsparungen. Im professionellen Umfeld bei größeren Finanzierungen ab einem höheren zweistelligen Millionenbereich muss man mit 30 bis 40 Basispunkten von der Finanzierungssumme rechnen, bei niedrigen Summen kann der Prozentsatz deutlich höher ausfallen.
Aus Sicht der Banken sind Finanzierungsberater ein zweischneidiges Schwert. Einerseits nehmen sie ihnen lukratives Geschäft weg, weil Banken für sich selbst in Anspruch nehmen, die Finanzierung ihrer Kunden zu strukturieren und dafür eine Gebühr zu kassieren. Andererseits übernehmen die Finanzierungsberater oft eine vermittelnde Funktion, die den Abschluss einer Finanzierung sehr erleichtert. So sprechen die Finanzierungsberater nicht nur die Sprache der Banken, sondern kennen auch das Marktumfeld sehr genau und können den Kunden oft erklären, welche Wünsche nicht realistisch sind. Darum haben die Banken die Finanzierungsberater mittlerweile nicht nur akzeptiert, sondern suchen auch den regelmäßigen Austausch, auch um sich für kommende Finanzierungen bei ihnen zu positionieren.
Der Markt der Finanzierungsberater ist sehr heterogen. Im gehobenen Segment gibt es einige etablierte Spieler wie Rothschild, Herter, Houlihan Lokey (ehemals GCA Altium), DUKAP, Gracher oder Cubus. Auch die großen Wirtschaftsprüfer bieten Finanzierungsberatung an. Daneben haben viele M&A-Berater auch eine kleine Einheit für Debt Advisory, die aber oft direkt mit den M&A-Transaktionen verknüpft ist, bei denen sie beraten. Im kleineren mittelständischen Segment tummeln sich viele Einzelkämpfer, die oft Firmenkundenbetreuer oder Finanzierungsspezialisten in Banken waren. Auch einige kleinere Steuerberater bieten Finanzierungsberatung an. Im Segment für kleinere Unternehmen unterhalb von einem Finanzierungsvolumen von 10 Millionen Euro sind professionelle Berater mit aktueller Marktkenntnis bislang noch rar.
11/2021
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.